Uruguay


 

 

 

 

 

Es kommt auf den Standpunkt an (September 2022)

Ein Aufzug führt auf die Dachterrasse des Rathauses von Montevideo, von wo der Rundblick auf die Stadt und den Hafen besonders schön sein soll. Also wandern wir zum Rathaus und finden den Aufzug geschlossen – zu viel Wind, sagt man uns.

Etwas unschlüssig stehen wir herum, als uns ein junger Mann anspricht. Er möchte wissen, wo wir herkommen und wie uns seine Stadt gefällt. Er ist Architekt und erzählt, dass er auch einmal um die Welt reisen wird, das hat er sich fest vorgenommen. Plötzlich wird er leidenschaftlich. Er empfindet es als große Ungerechtigkeit, dass alle Welt unter "Amerika" die USA verstehen würden und nicht den ganzen Kontinent. Seiner Ansicht nach sei das "richtige Amerika" Südamerika – das wäre ja als erstes entdeckt worden. "Somos America" – so verabschiedet er sich.

Seine emotionalen Worte klinge noch eine gewisse Zeit in uns nach. Die eigene Sichtweise auf die Welt hängt offensichtlich davon ab, von welchem geografischen Standpunkt aus man seine innere Landkarte beschreibt - und das macht einen großen Unterschied.


 

 

 

 

 

Eine neue Heimat? (März 2023)

Uruguay heißt Einwanderer mit genügend Vermögen herzlich willkommen. So treffen wir Schweizer, Holländer, Italiener, Deutsche und Österreicher, die sich eine neue Existenz aufgebaut haben oder dabei sind eine aufzubauen. Wir hören die unterschiedlichsten Geschichten über ihre Motive auszuwandern. Sie reichen von "ich bin nach einem längeren Urlaub hier hängen geblieben", "ich wollte einem Pensionsschock entgehen", "mir wurde günstig Land angeboten", "ich habe ein großes Business aufgebaut", "ich genieße diese entspannte Atmosphäre" bis "Deutschland lässt jeden rein, hier ist das anders". Wir hören gespannt zu, fragen interessiert nach.

Jedoch können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass viele - trotz aller positiven Erzählungen - "Einwanderer" bleiben und sich vor allem in ihrer jeweiligen Landescommunity aufgehoben fühlen. Manche holt das Heimweh ein und die Rückkehr wird vorbereitet.

Mit fällt der Spruch "The grass is always greener on the other side" ein, und möchte hinzufügen: "but it's still the same grass".


 

 

 

 

 

Diesmal kein Tango (März 2023)

Die Tage vor unserem Heimflug verbringen wir in einem AirBnB in der Altstadt von Monteviedeo. Unsere Host, Chichila, lebt seit Jahren hier und ist bestens vernetzt. Sie versorgt uns mit Tipps und Geschichten. Für einen Abend legt sie uns eindringlich ans Herz, doch eine Weinbar am Hafen aufzusuchen. Eine lokale Band spiele Hits aus den 70ern und 80ern, das Stammpublikum kenne sich und wir würden schnell Anschluss finden.

Die Bar liegt in einem ziemlich desoltaten Altbau, ohne Chichilas Tipp hätten wir sie nie betreten. Drinnen ist einiges los und als wir dem Barmann Grüße von unserer Host ausrichten, lacht er fröhlich und bietet uns gleich guten Wein an. Es dauert ein wenig, bis die Musiker eintreffen und zu spielen beginnen, die Atmsophäre ist locker und gelöst. Wir passen altersmäßig gut in die Runde, tanzen viel und kommen schnell in Kontakt. Die Besucher sind international, die gemeinsame Sprache Englisch.

Wieder einmal sind wir erstaunt über so viele verschiedene Lebenskonzepte. Wir plaudern mit einem Nordamerikaner, der mit einer Kolumbianerin verheiratet ist und für die UNO oft in Afrika unterwegs war. Als gemeinsamen Alterssitz haben sie nun Montevideo gewählt, wegen der entspannten Atmosphäre, der Sicherheit und des guten Lebensstandards. Ein älterer Herr, dessen Tochter in Spanien lebt, stellt sich als Kindergartenfreund von Chichila vor. Er schwärmt von ihrer Energie und Lebensfreude, als ob er immer noch in sie verliebt wäre. Eine von Chichilas Freundinnen aus Chile erzählt, dass sie jetzt in der Pension als Künstlerin neu durchstarten möchte.

Wir lachen viel und spüren, dass das hier genau der richtige Ort ist, um unsere Reise zu beenden. 


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