Mittwoch, 4.10. - Samsatg, 7.10.2017
In Chitokoloki genießen wir die Ruhe und Gastfreundschaft der Menschen in der Missionsstation (geleitet von CMML: Christian Missions in Many Lands) sehr. Wir werden durch das Krankenhaus geführt, das in ganz Zambia einen ausgezeichneten Ruf genießt, vom Head der Secondary and Vocational School empfangen, mit Gemüse aus dem Missionsgarten versorgt und können das Swimming Pool benutzen. Bei mehr als 40° untertags ist das einfach ein Genuss.
Nach einem Ruhetag reisen wir weiter. Unser Ziel ist eine der längsten Hängebrücken Afrikas, die Chinyingi Bridge, die von Missionaren 1970 errichtet wurde, nachdem bei der Bootsüberquerung zur Mission ein tragisches Unglück passiert war. Diese Brücke trägt zurecht den Namen „Swinging Bridge“, denn viele Menschen und Schüler frequentieren sie intensiv. Das macht das Überqueren der 200m langen Seilbrücke zum Schaukelerlebnis hoch über den Sambesi. „It’s not for the faint – hearted“ – das sagt man uns.
Von dort sind es noch ca. 50km bis nach Chavuma, der Grenzsiedlung nach Angola, und eben laut einem ehemaligen Britischen Gouverneur „der entlegenste Fleck des (damaligen) British Empire“. Und wirklich, hier sind wir weit, weit weg von allem, was wir bis jetzt erlebt haben. Einfachste Siedlungen, Felder, die seit jeher mittels Brandrodung und mühsam händisch bestellt werden, viele Kinder. Kaum jemand spricht Englisch und wir fallen so richtig auf. In Chavuma treffen wir zufällig John und seine Frau Lesley. Sie sind aus Kapstadt, John war Geschäftsmann, Offizier in den South African Selfdefence Forces und jetzt haben sie beschlossen hier, am „Ende der Welt“, die „Waymaker Mission Zambia“ aufzubauen. Wir werden sofort eingeladen zu bleiben, mit ihnen zu essen und am Feuer zu sitzen. Spannende Gespräche entwickeln sich am Lagerfeuer.
Vom äußersten Nordwesten machen wir uns auf zum Lukwaka Festival in Manyinga, von dem wir von Tina und Klaus (shumba.eu) gehört hatten. Dieses Erlebnis möchten wir ein wenig genauer beschreiben, da es wirklich einzigartig ist.
Kaum sind wir am Eingang zum Festivalgelände, spricht uns ein Organisator an. Wir werden herzlich eingeladen dabei zu sein und sollen doch Cappuccino direkt vor dem „Palast“ des Senior Chiefs parken, denn da kann man am besten auf uns aufpassen. Eine uns nicht verständliche Kommunikationskette beginnt und plötzlich erscheint ein Offizier, der uns beim Senior Chief anmeldet. Wir werden hineingebeten, Martin darf durch den Haupteingang, ich muss über die „Hintertüre“ und beim Frauenhaus vorbei. Alle paar Meter zeigt uns der Offizier, dass wir hinknien und 3x in die Hände klatschen müssen, bis wir endlich im Zimmer des Senior Chiefs sind. Ein freundlicher, alter Mann empfängt uns lächelnd in einem kleinen Raum mit riesigen dunklen Möbeln, einem alten Fernseher und wenig Luxus. Er heißt uns als seine Gäste willkommen. Er freue sich, dass internationale Gäste da sind und wir sind eingeladen bis Sonntag zu bleiben. Wir stellen uns vor – der Offizier deutet uns, dass wir laut reden müssen, denn der Chief hört schon schlecht . Nach 10 Minuten verlassen wir wieder das Palasthäuschen, immer wieder knien wir nieder und klatschen 3x. Draußen lachen wir herzlich mit Richard, dem Offizier, der sich über unsere Unsicherheit amüsiert. Er beteuert gut auf uns zu schauen. Und das tut er wirklich. Er informiert alle Offiziellen, dass wir Gäste des Senior Chiefs sind, und damit sind wir zwar mitten im Geschehen, aber doch etwas geschützt, da wir uns jederzeit in Cappuccino zurückziehen können. Immer wieder werden wir gefragt, ob es uns gut gehe.
Im Laufe des Nachmittags und in den folgenden Tagen kommen LKWs voller Menschen. Alle werden mit Trommeln, Tanz und Gesang begrüßt. Eine alte Frau holt mich zu den tanzenden Frauen, zeigt mir lachend wie die Schrittfolge geht und wie man mit den Schultern mittanzen muss. Gar nicht einfach! Martin wird von den Arbeitern am Festivalgelände gebeten „Snapshots“ zu machen. Sie stellen sich mit ihrem Werkzeug in Pose und haben einen riesen Spaß. Überall wird gehämmert, aufgebaut, gekocht, getrommelt und gesungen. Für die vielen Gäste wurden hinter dem Palast kleine Umzäunungen mit Bast aufgebaut, dort können sie kochen und übernachten. Einige Klohütten (Bastmatten rund um ein Erdloch in Spiralen aufgestellt ) dienen der Hygiene. Das Gelände, das schon vorher nicht gerade sauber war, wir mülltechnisch weiterhin strapaziert. LKWs bringen Holzstämme, die sich die Frauen zum Kochen holen können. So werden in den 2 Tagen, die wir miterleben, einige beachtliche Baumstämme verheizt.
Am Freitag, 6.10., laufen am Nachmittag Männer in Masken ein. Sie stellen sich beim Chief vor, rundherum ist der Auflauf groß. Ganz ähnliche Masken haben wir auch beim Cheke – Festival in Limalungo gesehen.
Am Vorabend zum großen Festtag ist so richtig die Hölle los. Eine – leider sehr schlechte – Band spielt die ganze Nacht, abwechselnd mit Trommlergruppen. Viele Menschen, viel Bier, viel Lärm aus krächzenden, viel zu lauten Lautsprechern. Martin mischt sich immer wieder unter die Menge und macht Fotos, ich bleibe lieber im schützenden Cappuccino.
Der große Festtag für die Lukwaka Zeremonie ist der Samstag, 7.10., und alles beginnt mit einer Verspätung. Wie wir aus dem offiziellen Programm entnehmen können, hätten die Feierlichkeiten bereits um 7:00 beginnen sollen, aber da wird noch geschmückt und gebastelt. Gegen 10:30 sagt man uns, dass die geladenen Gäste Platz nehmen sollen. Für uns werden sogar Sessel mit unseren Namen bereitgestellt. Ab dann heißt es warten. Geduldig ruft ein Sprecher die „cultural groups“ in die Arena. Langsam kommen sie herein und die Tänze und Trommler können mit ihren Vorführungen beginnen. Leider ist auch die Band dabei, die uns in der Nacht „beglückt“ hat, und als die Sänger der „African Hip – Hoppers“ auf ihrer Bühne einbrechen, ist im Publikum die Gaudi groß.
Die Ehrengäste werden alle namentlich begrüßt, bis endlich gegen 13:00 auch His Royal Highness, der Senior Chief Sikufele plus Gattin und Familienmitglieder einziehen. „No unnecessary movements, please“ - dazu werden alle Zuschauer aufgefordert. Die eigentliche Lukwaka Zeremonie erinnert an jene Zeiten, als sich einzelne Stämme gegen Feinde schützen mussten. Dazu wurden Menschen, Tiere und natürlich der Chief und seine Krieger in runden Holzumzäunungen in Sicherheit gebracht. Das alles wird in Kostümen von damals nachgestellt. Als wir erzählen, dass es auch in Europa Wehrdörfer und Wehrkirchen gegeben hat, glaubt man es kaum. Die größte Verwunderung löst allerdings das Bild von einem Krampus aus, das wir einem Maskenmann zeigen, der von uns nicht ablassen will. „I thought this can only happen in Africa...“ ist die erstaunte Reaktion.
Rituelle Begrüßungen, Tänze, Nationalhymne, - vor den Reden der Ehrengäste beschließen wir unseren Platz unter dem heißen Blechdach Richtung Cappuccino zu verlassen. Es ist kein Ende in Sicht und das Essen, zu dem war laut Protokoll um 16:00 geladen sind, scheint in ganz weite Ferne zu rücken. Wir bedanken uns beim Senior Chief mit 3 ausgedruckten Fotos von der Zeremonie, die wir ihm wieder kniend und klatschend durch seinen „Adjutanten“ überreichen lassen. Da wir uns nicht vorstellen können eine 3. Nacht mit durchgehender Beschallung und immer mehr und zunehmend alkoholisierten Menschen so hautnah zu verbringen, verlassen wir dieses bunte Fest gegen 16:00 in Richtung Kabompo River. Wir freuen uns auf eine ruhige Nacht am Fluss.
Es waren sehr intensive, laute und beeindruckende Tage, die uns deutlich machten, wie bedeutsam nach wie vor die Tribes und deren Chiefs hier sind. „Our real King lives in Angola“, sagte uns einer der Organisatoren. Auf unsere zaghafte Bemerkung, dass wir hier aber in Zambia sind, meinte er „This is only a political border“. Unter diesen Bedingungen ein Land zu regieren, ist eine echte Herausforderung!
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Sylvia (Donnerstag, 12 Oktober 2017 14:25)
Liebe Lisi und lieber Martin, euer Bericht und die Fotos sind unglaublich toll und ich bewundere euren Mut. Viel Glück weiterhin, seid umarmt Sylvia
Michael Schubhart (Donnerstag, 12 Oktober 2017 16:06)
Wahnsinn, ihr traut euch wirklich was. Steile Bilder und ein guter und interssanter Bericht. BRAVO!! Ich hoffe es läuft weiterhin so gut für euch. Werdet bitte nicht übermütig (v.a. Martin!). Ich wünsche euch nur das Beste für die weitere Reise. Passts auf auf euch, bleibt gesund, unversehrt und weiter glücklich. Bin in Gedanken oft bei euch...
Michael