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[12] Wasser als Lebensader und eine zauberhafte Stadt


Montag, 30.9.2019 (8.7.1398) – Dienstag, 8.10.2019 (17.7.1398)  - 1.120 km

GESAMT:  57 Tage –7.709 km

Wasser spielt hier eine zentrale Rolle – als Quelle, als ungezähmter Fluss im breiten Schotterbett, als Wasserfall, usw. Und es wurde immer schon reguliert, umgeleitet, in Kanäle gezwängt. Der Karun ist einzige schiffbare Fluss im Iran und wird seit Jahrtausenden von Menschen „bearbeitet“. Eine der eindrucksvollsten Zeugnisse davon sind die Wassermühlen in Shushtar in der heißen Ebene im Südwesten. Um 260 nach Christus mussten römische Kriegsgefangene, nachdem ihr Kaiser Valerius besiegt wurde, am Karun ein aufwändiges Kanalsystem mit Schleusen und Dämmen bauen. Damit betrieb man bis zu 40 Wassermühlen um Getreide, Reis und Ölsamen zu mahlen. Angeblich würden die Mühlen noch heute funktionieren – aber die Anlage ist mittlerweile Unesco Weltkulturerbe und nicht mehr zur Nutzung vorgesehen. Heute gehört der Karun zu einem gigantischen Staudammprojekt. Hohe Staumauern sperren ganze Täler im Zagros Gebirge ab, fast alle Flusstäler sind trocken, weil das Wasser umgeleitet wird, große Stauseen müssen mit Tunnel und Brücken umfahren werden. Sie liefern Energie für das dicht besiedelte und landwirtschaftlich intensiv genutzte Gebiet im Gebirgsvorland.

Dass wir uns in einem sehr alten Siedlungsgebiet befinden, wird uns in der Nähe der Stadt Izeh bewusst. Hier finden sich eindrucksvolle Felsreliefs aus Elamischer Zeit, das heißt aus dem 6. und 5. Jahrhundert vor Christus. Sie zeigen den König beim Gebet, umgeben von Dienern, Musikern und Priestern, die Tiere opfern. Ganz in der Nähe befindet sich der Friedhof von Shahsavar mit einer weiteren Überraschung: Steinlöwen, die alle nach Westen (=Mekka) blicken, stehen stumm auf den Gräbern der Bakhtiari Nomaden. Sie symbolisieren die Bedeutung des Verstorbenen – auch wenn manche eher wie große Frösche aussehen😊.

Hier, im Gebirgsvorland, ist es ziemlich heiß 40°C unter tags und kaum unter 30° in der Nacht, das ist schon anstrengend. Also verziehen wir uns noch einmal ins Gebirge, wo auf 2.000m angenehme Temperaturen herrschen. Im Sabzkuhtal, einem hochgelegenen Tal bekannt für die Sommerweidegebiete der Bakhtiari-Nomaden, übernachten wir in der Nähe eines Nomadenzelts. Bis auf den blauen Pickup und Taschenlampen leben sie, als ob die Zeit stehen geblieben wäre: im Zelt, eine Bastmatte, ihr Hab und Gut in Taschen verpackt, mit Hühnern, Ziegen und Schafen, kein Strom, fließendes Wasser vom Fluss. Auch hier ermöglicht unser Picture-Dictionary minimale Kommunikation und eine Fingerpuppe für den kleinen Buben zaubert ein Lachen auf das Gesicht der jungen Frau.

Eine eindrucksvolle Schlucht markiert das Ende des Sabzkuhtals. Am Eingang feiert eine fröhliche Runde junger Iraner das Wochenenden - natürlich sind wir als Gäste willkommen.

Bevor wir uns nach Esfahan begeben, wollen wir noch einmal Ruhe an einem Fluss genießen. Die finden wir auf einem wunderbaren Platz am Zayandeh Rud. Wir stehen unmittelbar am Wasser unter hohen Nussbäumen, die von den Einheimischen liebevoll über ein aufwändiges Bewässerungssystem versorgt werden. Wir bekommen selbstgemachtes Brot, Nüsse und können relaxen. In der Nacht kühlt es bereits auf 10°C ab - das tut gut nach all der Hitze.

In Najaf Abad, einer Stadt ca. 30km vor Esfahan, erwarten uns Rasoul und seine Familie. Wir haben ihn in Khorramabad kennen gelernt und sind in Kontakt geblieben. Im Garten der Familie, der mit vielen Pflanzen und Wasserbecken fast wie ein Paradies wirkt in dieser Industriestadt, verwöhnt uns Rasouls Mutter mit einer traditionellen Osht, eine dicke Gemüsesuppe mit Linsen, Kichererbsen und Nudeln. Natürlich hat jede Familie ihr ganz spezielles Rezept - ganz wie bei uns.

Rassoul ist auch für einen Tag unser persönlicher Fremdenführer in Esfahan. Er zeigt uns die Schönheiten seiner Stadt,  bringt uns in ein kleines Restaurant, das die lokale Spazialität Lammfleisch auf Ölbrot und Fladen besonders lecker anbietet, und erzählt mit viel Geduld vom Alltag heute. Danke Rasoul!

Wir sind verzaubert von der Stadt und der entstressten Atmosphäre. Der große Platz mitten im Zentrum, die eindrucksvollen Moscheen und Paläste, der alte Basar und die vielen Gärten nehmen uns gefangen. Abends flanieren wir wie viele Iraner/innen am Zayandeh Rud, dem Fluss den wir schon im Oberlauf genossen haben. Die Brücken sind romantisch beleuchtet, man sitzt am Ufer, raucht Schischa, trinkt Tee, spielt Gitarre, plaudert entspannt. Esfahan ist eine  dynamische Stadt voller Lebensfreude. Die jungen Paare halten Händchen, ob ganz in schwarz gehüllt oder mit weit nach hinten gerutschtem Kopftuch - sie wollen einfach das Leben genießen. Wir sind uns nicht sicher, ob das die Mullahs, die von Plakaten milde lächelnd auf das fröhliche Treiben herunter blicken, auch wirklich wissen...

In der Iranischen Ausländerbehörde stellen wir uns mit vielen anderen Menschen an, um unsere Visa zu verlängern. Wir füllen Formulare aus, bezahlen Visumgebühr und versichern, dass wir den Iran und ganz besonders Esfahan sehr genießen. Nach ca. 5 Stunden ist alles erledigt und wir können weitere 30 Tage im Land bleiben. Beide atmen wir auf, denn wir möchten noch viel in diesem faszinierenden Land erkunden.





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Kommentare: 3
  • #1

    Carlo (Donnerstag, 10 Oktober 2019 06:47)

    Hallo Lisi und Martin,

    ist meine Irantour wirklich schon 14 Jahre her? Wehmütig schaue ich eure tollen Bilder an und erfreue mich am Bericht. Wirklich ein tolles Land mit vielen lieben Menschen. Weiterhin viel Spaß und eine tolle Zeit!!!

    Ciao, Carlo

  • #2

    volker (Donnerstag, 10 Oktober 2019 18:56)

    danke für die tollen Bilder .
    Letztes Jahr waren wir auch in diesem tollen Land mit ihren liebenswerten Menschen .
    Gute Reise !

  • #3

    Gaby (Freitag, 11 Oktober 2019 15:28)

    Liebe Lisi, lieber Martin,
    denke oft an euch - fein, dass es euch gut geht. Sitze im Büro und denke mir, dass ich jetzt gerne bei euch wäre :-)
    Sehr schöne Bilder und interessante Infos, alles Liebe und take care
    Gaby