· 

[32] Unser ganz persönliches Resümee von 3 Wochen Saudi Arabien:


Zwei Adjektiva fallen uns sofort ein, wenn wir an unsere Erlebnisse in Saudi Arabien denken: widersprüchlich und sperrig, dazu überbordende Gastfreundschaft.

 

Es ist uns völlig klar, dass wir Individualtouristen die Menschen hier sehr herausfordern. Gibt es doch erst seit September 2019 überhaupt die Möglichkeit mit einem Touristenvisum länger im Land zu reisen. Vorher erhielten nur Geschäftsleute oder ausgesuchte Gruppenreisen ein längeres Visum, Individualreisende konnten nur mit einem Transitvisum das Land innerhalb von 3 Tagen queren. In vielen Dörfern oder abgelegenen Gebieten sind wir die ersten „Fremden“, die auftauchen und noch dazu im eigenen Auto. So erlebten wir alle Varianten von Begegnungen – hier ein paar Beispiele:

  • Wir machen gerade eine kurze Pause, ein Auto hält und ein Mann fragt: „Are you Muslim“ – „No, we are Christians“ – und sofort ist er weg.
  • Wir tanken und bezahlen gerade, ein Mann kommt mit einem großen Sack Orangen, Datteln und einem traditionellen Tuch ans Auto: „My religion tells me to treat foreigners as my guests. Take this, you deserve much more!“ – und fährt, ehe wir uns noch richtig bedanken können.
  •  Wir kaufen in einem Geschäft Lebensmittel ein, ein Mann spricht uns an. Er stellt sich als der Besitzer vor, sagt, dass es eine Ehre ist, dass wir bei ihm einkaufen und fragt ob er uns behilflich sein kann. Schließlich schenkt er uns eine große Menge Datteln.
  • In der Shopping Mall ruft uns ein elegant gekleideter Mann zu: „Welcome to my country, it’s good you are here. I’ve worked for the embassy, if you need anything, just call me“ – und drückt uns seine Karte in die Hand.

Und da gibt es noch viele weitere Begegnungen, vor allem Einladungen zu Café und Datteln oder Tee, und natürlich zum Essen. Manche haben wir ja in unseren Blogeinträgen beschrieben.

 

Widersprüchlich und sperrig haben wir den Zugang zu den Natur- und Kulturschätzen erlebt, deren Vermarktung mit sehr „amerikanischem“ Blick begonnen hat. Es werden Events angeboten, stylische Cafés in Oldtimern eingerichtet, Chill-Out Zones mit Loungemusik gestaltet. Man verkauft teure Packages, die nicht nur die Sehenswürdigkeit beinhaltet, sondern auch ein Galadinner oder den Besuch eines Beautysaloons. Alles läuft über Social Media, mit schicken Werbeaufnahmen und gestylten Texten. Historische Gebäude werden aufwändig und perfekt restauriert. Ihre Schätze werden als „the biggest“, „the most important“, „the oldest“ bezeichnet, auch wenn der Reiseführer andere Zuschreibungen wählt.

Der „Normaltourist“ braucht allerdings viel Geduld, um zu ergründen wann die Öffnungszeiten sind und um die Kassa zu finden, wo man auch ein Tagesticket erstehen kann – wenn man überhaupt als Einzelner eines bekommt oder die Sehenswürdigkeit, trotz anderer Information auf der Homepage, geschlossen ist. So sind wir vor einigen verschlossenen (Welt-) Kulturschätzen gestanden und unser Argument, dass wir von sehr weit herkommen, hat nichts genützt.

 

Religion

Die Religion ist allgegenwärtig. Fast jeden Kilometer steht eine Moschee, von aufwändig gestaltet bis zu einem Steinhaus oder einer Blechhütte. In besiedelten Gebieten liefern sich die Muezzins der zahlreichen Moscheen 5 Mal am Tag „Gesangswettbewerbe“. Wir fragen uns, ob man wirklich noch verstehen kann, was hier für Allah in den Himmel gesungen wird. Während „prayer time“ sind auch die Geschäfte geschlossen. Wenn man gerade beim Einkauf ist, wird der Rollladen heruntergelassen, die Kassa dicht gemacht, nach 30 Minuten ist alles vorbei. Auch daran muss man sich erst gewöhnen. Allerdings haben uns jene Menschen, die z.B. einfach an den Straßenrand gefahren sind oder ein Gespräch bei Tee unterbrochen haben, um ganz selbstverständlich zu beten, sehr beeindruckt.

 

Frauen

Ich bin am Frauenklo, 2 Frauen nehmen gerade ihre Vollverschleierung ab, um sich zu schminken. Sie lachen und fragen sofort: „What is your name? Where do you live? Can we make a foto? Are you on Instagram? On WhatsApp?“ Sie sind es, die oft besser Englisch können als ihre Männer, und gerne jede Gelegenheit nützen um zu sprechen. Leider ist dies nur ganz selten möglich, weil sie fast immer ausschließlich mit ihren Kindern und versteckt öffentlich sichtbar sein dürfen. Oft schenkten sie mir flüchtige, strahlende Blicke und ein Lächeln hinter ihren Gesichtsschleiern und flüsterten „Welcome“. Da ist eine Begegnung am WC eine willkommene Gelegenheit geschützt in Kontakt zu kommen.

Andererseits geben die meisten Männer mir als Frau ganz selbstverständlich die Hand und behandeln mich wie Ihresgleichen. Sie beziehen mich in die Gespräche ein und berühren mich, wenn sie mich auf etwas aufmerksam machen möchten. Beeindrucken konnten Eva und ich besonders, als wir unsere großen Autos aus einem Hof, wo wir zum Frühstück eingeladen waren, hinausfuhren.

Ihre eigenen Frauen sind unsichtbar, nie Thema in Erzählungen, sind verhüllt und bleiben verschämt im Hintergrund.

 

Reisealltag

Wie im Nachbarland Oman ist auch hier das Reisen ganz einfach. Wasser gibt es an den Moscheen, die größeren Geschäfte bieten alles für die Versorgung, Tanken ist günstig – ca. 12 Cent pro Liter Diesel. Es gibt keine Campingeinrichtungen, man kann überall stehen und wird sogar an besonders schönen Plätzen dazu aufgefordert. Die Gastfreundschaft ist umwerfend und viele freuen sich ganz ehrlich, dass man als Fremder ihr Land bereist.

Eines ist uns allerdings ein wirklich großes Rätsel – der Müll. Der noch so schöne Picknickplatz ist zugemüllt, hinter jeder Mauer, entlang der Straßen und sogar in abgelegenen Dünen liegen Plastiksackerl, Flaschen, Dosen, Schuhe – einfach alles. Gleichzeitig haben wir noch nie so viele fleißige Müllsammler gesehen.

 

Wir hoffen, dass die gerade erst mit Enthusiasmus begonnen Öffnung für den Tourismus nicht nur zu Events mit teuren Tickets an schönen Orten führt, sondern auch die lokale Bevölkerung miteinbezieht und Individualtouristen wie wir willkommen bleiben.


unsere Reiseroute in Saudi Arabien -insgesamt 3.870 km


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Michael (Freitag, 28 Februar 2020 11:16)

    ACHTUNG: Wegen des Corona-Virus und der damit verbundenen Hysterie solltet ihr eure Rückreise genau planen. In Italien sind bereits ein paar Häfen gesperrt (Venedig, evtl. Genua) und in Österreich werden schon Stimmen laut, die Grenzen zu Italien zu sperren.
    Alles Gute weiterhin und steckt euch nicht an!!

    LG Michael und Lissi